logo caritas 737x90 dummy

Zivildienst vermittelt Reife und soziale Kompetenz – Volkersberg, 12.11.: Seit Einführung des Zivildienstes im April 1961 hat diese Alternative des Wehrdienstes ca. 2.5 Millionen jungen Männern die Gelegenheit gegeben, soziale Kompetenz zu erlernen. Wo sonst hatten die meisten von ihnen vorher und auch nachher Berührung gehabt mit kranken, behinderten, alten oder sterbenden Menschen, mussten sie pflegen, waschen, fahren, ihnen zu essen geben oder sich mit ihnen unterhalten. Doch die geplante Abschaffung des Wehrdienstes im kommenden Jahr wird auch das Instrument des Zivildienstes beenden  Bundesweit fallen ca. 90.000 Zivildienststellen weg, allein in den Einrichtungen der Caritas sind es ca. 25.000. Über mögliche Ersatzformen sind sich Politik und Wohlfahrtsverbände noch nicht einig. Kirchliche Verbände setzen auf einen freiwilligen Zivildienst. Dafür wollen sie das „Freiwillige Soziale Jahr“ massiv ausbauen. Wie diese Freiwilligen bezahlt werden sollen und vor allem, wie man sie ohne Zwang zu diesem Dienst motivieren kann, darüber herrscht noch Unklarheit.
Fünf junge Männer, die momentan in der Jugendbildungsstätte Volkersberg an einem zweiwöchigen Einführungslehrgang für Teilnehmer aus den Diözesen Würzburg und Bamberg teilnehmen, sind sich jedoch einig: Der Zivildienst ist ein wichtiger Reifeprozess für junge Männer. Fällt er weg, fällt auch viel soziale Kompetenz. Und ohne gesetzlichen Zwang engagiert sich kaum noch einer in der sozialen Arbeit.

„Der Zivildienst ist ganz wichtig“, sagte David Kraus. Der 19-Jährige absolviert seinen Zivildienst in der Caritas Sozialstation St. Kilian in Höchberg. „Man wird offen für neue Sachen. Es wird ganz normal, anderen zu helfen.“ Der 20-Jährige Paul Specht, der auf Station im Waldkrankenhaus Erlangen arbeitet, meinte: „In der Zivizeit nehme ich ganz viele soziale Aspekte mit. Den gesetzlichen Zwang zum Zivildienst finde ich sinnvoll. Ich bin sehr enttäuscht, dass er abgeschafft wird.“ „In der Politik geht es leider nur um die Kohle,“ schimpfte David. „Nur noch die Zahlen sind wichtig, nicht die Menschen. Wird der Zivildienst abgeschafft, gehen die sozialen Werte verloren. In spätestens fünf Jahren gibt es ein böses Erwachen, wenn alle Idealisten fehlen.“ Sein Kurskollege Josef Eichhorn, Zivi in der Lebenshilfewerkstatt in Stockstadt, pflichtete ihm bei: „Man wird toleranter gegenüber anderen Menschen und ihren Probleme. Ich sehe es als einen großen Fehler an, den Zivildienst zu streichen.“ Stefan Gubik aus Rieneck, Zivi in der Caritas Sozialstation St. Franziskus in Gemünden, sagte: „Es ist ein toller Lerneffekt, wenn man in dem Moment, in dem man in der Blüte seines Lebens steht, pflegebedürftige Menschen trifft und ihnen helfen kann.“ Viele neue Erfahrungen hat auch der Eisinger Manuel Schüll gemacht, seit er im dortigen St. Josefs-Stift arbeitet:
„Natürlich hatte ich vorher in Eisingen immer mal wieder behinderte Menschen gesehen. Doch jetzt im Stift  zu arbeiten, ist schon was anderes. Wenn man unsere Bewohner und ihre Beschwerden sieht, relativieren sich die eigenen Wehwehchen schnell. Die Abschaffung des Zivildienstes nimmt jungen Menschen die Chance, soziale Kompetenz zu erlernen.“
Und wie beurteilen die fünf die letzte Reduzierung der Zivildienstzeit auf sechs Monate? Sechs Monate sind ok, meinen sie übereinstimmend. In der Zeit könne man noch genug machen. Außerdem könne jeder freiwillig verlängern, was einige aus der Runde auch machen wollen. „Die Zivizeit sehe ich außerdem als Findungsphase, in der ich mir darüber klar werde, was ich später machen will,“ meinte Manuel. In anderen freiwilligen Dienste wie dem FSJ sehen sie jedoch keinen gleichwertigen Ersatz. „Die lohnen sich nicht entsprechend.“ Freiwillige Dienste würden nicht ausreichend wert geschätzt. Man müsste Anreize schaffen wie bessere Bezahlung, Vorteile bei der Studienplatzvergabe, der Lehrstellen oder Job-Suche. „Die freiwillige soziale Arbeit wird verschwinden“, glaubte Paul. „Die jetzigen Schüler, vor allem die neuen G8´ler am Gymnasium, werden nur noch durch die Schule gepeitscht“, sagte David. „Die haben in der Schule gar keine Gelegenheit mehr, das Leben kennen zu lernen.“ Und noch zwei wichtige Aspekte sprechen für den Zivildienst. „Zivis bringen in jede Einrichtung frischen Wind mit“, war sich Manuel sicher. „Und Zivis haben auf Pflegestation Zeit für die Menschen, die Pfleger nicht“, so Pauls Erfahrung. Beides wird bald fehlen.

Ludger Heuer


Foto (Heuer): v.l. Die Zivis Paul Specht (Waldkrankenhaus Erlangen), Manuel Schüll (St. Joesefs-Stift Eisingen), Stefan Gubik (Caritas Sozialstation Gemünden) David Kraus (Caritas Sozialstation Höchberg) und Josef Eichhorn (Lebenshilfe Stockstadt).   


­